„Daran habe ich keine konkrete Erinnerung“ – der erste Freispruch

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Am 6.2. fand ein weiterer Prozess im Nachgang zu den Protesten gegen den AfD-Landesparteitag in Offenburg statt. Fast ein Jahr danach nimmt der Repressionsapparat an Fahrt auf und es wird in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder Prozesstermine geben.

Doch erstmal zu diesem. Denn dieser lief etwas anders am als die vorherigen.

Zuerst einmal gab es dieses Mal wider Erwarten keine Einlasskontrollen. Die Verhandlung fand in einem sehr kleinen Gerichtssaal statt, doch fanden wir alle Platz. Der Vorwurf an den Genossen lautete „gemeinschaftlicher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall“.

Der Prozess begann direkt mit technischen Problemen, erfahrungsgemäß keine Seltenheit vor Gericht. Als Zeugen waren Herr Mutz, der Sachbearbeiter, der dieses Mal jedoch verhindert war und ein Bulle aus der BFE-Einheit Bruchsal geladen – damit also tatsächlich mal ein Zeuge, der am 4.3. im Einsatz war. Dieser hatte jedoch mit einigen Erinnerungslücken zu kämpfen. Statt von seinem eigenen Erleben der Demo zu berichten, verlor er sich in Spekulationen zum „standardisierten Vorgehen von Antifa-Demonstrationen“ und möglichen Verstößen gegen die Versammlungsauflagen. So soll angeblich auch schon bei Ende der ersten Demo klar gewesen sein, dass die zweite nicht loslaufen sollte. Er selbst hat auch erstmal keinen Vermerk geschrieben nach der Demo, sondern nur mit seinen Kollegen gequatscht. Erst als man 2 Monate später auf ihn zuging mit der Aufgabe, er solle einen Vermerk zu dieser „Tat“ formulieren, beschäftigte er sich mit der Demo und sah sich Videos und Fotos an, nach denen er dann seine „Erinnerungen“ vermerkte. Und dieser Schrieb lag nun nichtmal der Verteidigung vor. Während die Verteidigung auf die Spekulationen einging und den Zeugen daran erinnerte, er müsse vor Gericht die Wahrheit sagen, beschwichtige die Staatsanwältin den Bullen, es wäre ja total verständlich dass man nicht jedes Detail wisse und die Videos würden die Erinnerung nicht fälschen sondern stützen. Zwischendurch wurde sie auch laut gegen den Verteidiger. Doch der Zeuge hatte weiterhin „keine konkreten Wahrnehmungen“ zum Anhalten der Demo, aber dies wäre „bestimmt kommuniziert“ worden, denn das sei ja „normales polizeiliches Vorgehen“. Und auch bei allen weiteren Fragen an ihn zeigte sich: Er hat eigentlich keine Ahnung was an dem Tag abging und den Angeklagten erkennt er auch nicht aus der eigenen Erinnerung. Man fragt sich, wer diesen Zeugen eigentlich geladen hat.

Nachdem dann endlich im Gerichtssaal die Videos angesehen werden konnten, kam der Richter bereits zum Schluss, dass das, was er sieht keine Verurteilung rechtfertigt. Die Staatsanwältin will natürlich keine Einstellung. Der Termin hätte hier schon zu Ende sein können, aber weiter ging es mit dem Prozess. Also legte sich der Verteidiger nochmal ins Zeug und ging auf die absurden Auflagen ein, von wegen ein verknotetes Banner würde Leib und Leben gefährden und führt nochmals aus, warum das Stoppen der Demo nicht gerechtfertigt war. Diverse Anträge der Verteidigung werden vom Richter abgelehnt, man merkt dass dieser je länger dieser Prozess dauert, er zunehmend ungeduldig wird. Wir auch.

Auch die Staatsanwältin kniete sich weiter in die Scheiße, meinte sie sieht im Video ein „ganz klares nach vorne gehen“ und damit wäre die „Schwelle des passiven Verhalten überwunden“. Also ein alleiniges GEHEN trägt laut Staatsanwaltschaft schon zur „Masseneskalation“ bei. Dafür will sie 7 Monate auf Bewährung. Nebenher gibt es noch ein paar Lippenbekenntnisse, von wegen unser Genosse stünde ja auf der richtigen Seite.

Ab hier gibt es noch einiges Hin und Her. Kurzum: Unser Genosse wurde freigesprochen, doch haben wir auch hier noch einmal deutlich erlebt, wie jedes Kinkerlitzchen, dass sich am 4.3. zugetragen haben soll, mit Vehemenz verfolgt wird. Konsequente antifaschistische Proteste sollen eingeschüchtert und klein gehalten werden. Mit solch absurden Gerichtsverfahren sollen Leute davon abgehalten werden, aktiv gegen Nazis zu werden. Der Staat schützt weiter die Rechten und die polizeilichen Eskapaden. Wir freuen uns über den Freispruch – doch darauf verlassen können wir uns nicht.

Wir müssen weiter aktiv sein – auf der Straße und vor Gericht! Also kommt auch zu den nächsten Prozessen zur solidarischen Begleitung. Kein:e Antifaschist:in steht allein vor Gericht – gemeint sind wir alle.

Die nächsten Prozesse sind am 12.2. um 9 Uhr und um 11 Uhr

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